Urteil des LG Darmstadt zur Anwesenheitspflicht
In der Gesellschafterversammlung werden wichtige Entscheidungen getroffen. Daher ist es wichtig, dass im Gesellschaftsvertrag wirksame Regelungen zur Vertretung eines Gesellschafters in der Versammlung getroffen werden. Ansonsten können gefasste Beschlüsse der Gesellschafterversammlung unwirksam sein oder wichtige Entscheidungen blockiert werden. Das LG Darmstadt hat mit Urteil vom 4. März 2024 bestätigt, dass die Vertretung eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung einer ausdrücklichen Zulassung im Vertrag bedarf (Az.: 18 O 34/21).
Die Gesellschafterversammlung ist ein wichtiges Organ zur Beschlussfassung. Gerade in Personengesellschaften wie der OHG, der GbR oder der KG hat die persönliche Stimmabgabe eine große Bedeutung. Das liegt u.a. daran, dass zwischen den Gesellschaftern eine enge persönliche Beziehung vermutet wird und an dem hohen Haftungsrisiko der Gesellschafter einer Personengesellschaft. Dadurch ist es in der Regel notwendig, dass die Möglichkeit zur Vertretung in der Gesellschafterversammlung und bei der Stimmabgabe vertraglich verankert ist, so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte , die u.a. im Gesellschaftsrecht berät.
Gesellschafterstreit zwischen Vater und Söhnen
In dem Verfahren vor dem LG Darmstadt ging es um den Gesellschafterstreit in einer Offenen Handelsgesellschaft. Die OHG hatte drei Gesellschafter, einen Vater und seine beiden Söhne. Laut Gesellschaftsrecht konnten Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Dabei verfügte der Vater über 60 Stimmen und die Söhne jeweils über 20 Stimmen. Damit die Gesellschafterversammlung einen wirksamen Beschluss fassen konnte, mussten gemäß Vertrag alle drei Gesellschafter anwesend sein. Zur Geschäftsführung waren alle drei Gesellschafter allein berechtigt und verpflichtet.
In der Gesellschaft schwelte schon länger ein Streit unter den Gesellschaftern. Dabei kam es zu einigen strittigen Gesellschafterversammlungen, bei denen es u.a. um den Ausschluss eines Sohnes aus der Gesellschaft ging. Im Juli 2021 kam es zu einer weiteren Gesellschafterversammlung, an der der Vater aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Er erteilte daher einem Rechtsanwalt eine Vollmacht, um sich von ihm bei der Versammlung vertreten zu lassen. Einer der Söhne machte umgehend deutlich, dass er die Vollmacht nicht anerkenne. Trotz entsprechender Aufforderung verließ der Rechtsanwalt aber nicht den Raum und fertigte auch eine Niederschrift der Versammlung an. Das LG Darmstadt hatte nun darüber zu entscheiden, ob die Gesellschafterversammlung in Abwesenheit des Vaters wirksame Beschlüsse fassen bzw. nicht fassen konnte.
Persönliche Beteiligung der Gesellschafter erforderlich
Das Gericht machte deutlich, dass die Gesellschafterversammlung keine wirksamen Beschlüsse fassen konnte. Zur Begründung führte es aus, dass der Vater entgegen der Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht beteiligt war. Laut Vertrag war eine Beschlussfassung mündlich oder schriftlich, telefonisch oder telegrafisch sowie innerhalb oder außerhalb einer Gesellschafterversammlung möglich. Voraussetzung ist jedoch, dass alle Gesellschafter an der Beschlussfassung beteiligt sind. Diese Regelung sei so auszulegen, dass für eine wirksame Beschlussfassung eine höchstpersönliche Beteiligung aller Gesellschafter notwendig ist, so das LG Darmstadt. Dies erscheine auch gerade bei einer personalistisch geprägten Familiengesellschaft wie in dem vorliegenden Fall mit lediglich drei Gesellschaftern auch sachgerecht. Denn gerade in einem persönlichen Meinungsaustausch unmittelbar vor der Abstimmung könnten noch Aspekte einfließen, die abseits des rein Geschäftlichen liegen, führte das Gericht weiter aus.
Es sei davon auszugehen, dass auch der Vater und die beiden Söhne eine entsprechende Erwartung bei Erstellung des Gesellschaftsvertrags hatten, denn auf eine vertragliche Regelung zur Vertretung in der Gesellschafterversammlung oder bei Abstimmungen hatten sie verzichtet. Eine generelle Möglichkeit zur Vertretung sollte nicht geschaffen werden, so das Gericht. Auch der Umstand, dass einer der Söhne in Begleitung von Rechtsanwälten zu der Versammlung erschienen ist, führe nicht dazu, dass eine Vertretung zulässig gewesen wäre.
Vertretung muss vertraglich geregelt sein
„Gerade in einer personalistisch geprägten Familiengesellschaft haben die Gesellschafter im Regelfall die berechtigte Erwartung, dass Angelegenheiten der Gesellschaft in einem persönlichen Gespräch beraten und diskutiert werden, und es gerade die Mitgesellschafter sein werden, die in einen persönlichen Austausch treten“, führte das Gericht weiter aus. Wenn es einem Gesellschafter am erforderliche Fachwissen fehle, um bestimmte Sachverhalte adäquat beurteilen zu können, könne er sich von einem Rechtsanwalt, einem Wirtschaftsprüfer oder einem Steuerberater begleiten und beraten lassen. Das führe aber nicht zur Übertragung von Gesellschafterrechten
Das Urteil zeigt, dass es wichtig ist, Regelungen im Gesellschaftsvertrag klar zu formulieren, damit im Falle eines Gesellschafterstreits für klare Verhältnisse gesorgt ist.
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