Urteil des OLG München vom 31.07.2024, Az.: 7 U 351/23 e
Die Weiterleitung dienstlicher E-Mails an die eigene private E-Mail-Adresse kann die fristlose Kündigung von Vorstandsmitgliedern rechtfertigen. Das hat das OLG München mit Urteil vom 31. Juli 2024 entschieden (Az.: 7 U 351/23 e).
Eine außerordentliche fristlose Kündigung kann im Arbeitsrecht nur aus wichtigen Grund erfolgen. Bei Geschäftsführern oder Vorständen kann sich die Kündigung des Dienstvertrags als kompliziert erweisen. Bei groben Pflichtverletzungen ist aber auch hier die fristlose Kündigung möglich , so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte , die u.a. im Arbeitsrecht berät.
Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Das zeigt auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 31.07.2024. Der Kläger in dem zu Grunde liegenden Fall war seit einigen Jahren Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (AG), die 2022 in eine GmbH umgewandelt wurde. In dem bis September 2022 befristeten Vorstandsdienstvertrag verpflichtete sich der Vorstand zur vertraulichen Behandlung aller betrieblichen Angelegenheiten sowie der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Diese Verpflichtung besteht auch nach dem Ausscheiden des Vorstands aus der Gesellschaft.
Der Vorstand verpflichtete sich vertraglich, vertrauliche Informationen weder direkt noch indirekt weiterzuverbreiten. Zu diesen vertraulichen Informationen zählten laut Vertrag u.a. Informationen zu Geschäftspartnern, Kalkulationen, Adressdaten oder Arbeitsergebnisse der Gesellschaft. Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht stellt gemäß dem Dienstvertrag ausdrücklich einen wichtigen Grund zur Kündigung des Vertrags dar.
Weiterleitung dienstlicher Mails
Das Vorstandsmitglied hatte jedoch mehrfach dienstliche E-Mails an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet bzw. sie ins „CC“ gesetzt. In den Mails waren bspw. Informationen zu Provisionen, Gehaltsabrechnungen, Übersichten über Umsatzerlöse oder Bankanfragen enthalten. Ende September 2021 fiel in dem Unternehmen auf, dass der Vorstand diese vertraulichen E-Mails an seine private Mail-Adresse geschickt hatte. Nach Anhörung des Vorstands beschloss der Aufsichtsrat im Oktober 2021 das Vorstandsmitglied abzuberufen und den Dienstvertrag auch wichtigem Grund außerordentlich und fristlos zu kündigen.
Dagegen wehrte sich der Vorstand. Er argumentierte, dass es weder für den Widerruf der Organstellung noch für die außerordentliche Kündigung einen wichtigen Grund gebe. Das Weiterleiten der E-Mails an seine private Adresse führe aufgrund der umfangreichen Sicherung seines privaten E-Mail-Accounts gegen den Zugriff Dritter nicht zu Verstößen gegen den Geheimnisschutz oder den Datenschutz, da nur er die Kennwörter kenne und zugriffsberechtigt ist. Er habe auch zu keinen Zeitpunkt Informationen weitergegeben und zu betriebsfremden Zwecken verarbeitet. Zudem sei diese Praxis mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden abgesprochen gewesen.
Verstoß gegen Datenschutzrecht
Seine Klage gegen seine Abberufung als Vorstand und die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags hatte am OLG München keinen Erfolg. Die fristlose Kündigung eines Dienstverhältnisses aus wichtigen Grund sei möglich, wenn Tatsachen vorliegen, die der Gesellschaft unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht zugemutet werden können. Dies sei hier der Fall, so das OLG München.
Denn der gekündigte Vorstand habe durch das Weiterleiten dienstlicher E-Mails an seinen privaten Account zwar nicht seine Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG verletzt, da er die E-Mails unstreitig nicht unbefugten Dritten zugänglich gemacht habe und die Speicherung auf einem Freemail-Server diesen Tatbestand nicht erfülle. Allerdings habe er durch die Weiterleitung der Mails gegen seine Sorgfaltspflicht aus § 91 Abs. 1 S. 1 AktG sowie gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen, stellte das OLG fest. Denn die Weiterleitung der E-Mails auf den privaten Account und die dortige Speicherung stelle eine Verarbeitung der Daten ohne Genehmigung der betroffenen Personen und somit einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar.
Wichtiger Grund für außerordentliche Kündigung
Zwar sei nicht gleich jeder Verstoß gegen die DSGVO ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Ein wichtiger Kündigungsgrund liege aber vor, wenn von dem Verstoß sensible personenbezogene oder betriebliche Daten betroffen sind, wie es hier der Fall sei, führte das OLG München weiter aus. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass E-Mails nicht nur einmal, sondern mehrfach weitergeleitet wurden. Ein Vorstand sei in einem solchen Fall nicht anders zu beurteilen als Arbeitnehmer, die sich betriebliche Unterlagen ohne Erlaubnis der Arbeitgebers aneignen oder vervielfältigen. Unterm Strich sei der Gesellschaft eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zuzumuten und die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam, urteilte das OLG München.
MTR Legal Rechtanwälte berät Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte zu Kündigungen und weiteren Themen des Arbeitsrechts.
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