Temporäre Entziehung der Befugnis ohne gerichtlichen Beschluss – Urteil des LG Stuttgart – Az.: 49 O 142/23
Nach einem bemerkenswerten Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2024 besteht in der Partnerschaftsgesellschaft (PartG) die Möglichkeit, einem Partner die Erlaubnis zur Geschäftsführung ohne gerichtlichen Beschluss temporär zu entziehen (Az.: 49 O 142/23).
Wenn Freiberufler sich zusammenschließen möchten, kann die Partnerschaftsgesellschaft eine interessante Rechtsform mit verschiedenen Vorteilen sein. So ist bspw. die Gründung ohne Startkapital möglich. Im Partnerschaftsvertrag sollten nicht nur alle Eckpunkte vereinbart werden, sondern auch weitergehende Regelungen zu Rechten und Pflichten der Partner, so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte , die u.a. im Gesellschaftsrecht berät.
Wie in jeder anderen Gesellschaftsform kann es auch in der Partnerschaftsgesellschaft zu Streitigkeiten kommen. Dann ist es vorteilhaft, wenn vertraglich bereits Maßnahmen zur Konfliktlösung vereinbart wurden. Das zeigt auch das Urteil des LG Stuttgart.
Entzug der Geschäftsführungsbefugnis vertraglich geregelt
In dem zu Grunde liegenden Fall war jeder Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft grundsätzlich einzeln zur Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft berechtigt. In dem Partnerschaftsvertrag ist vereinbart worden, dass eine Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis aus wichtigen Grund nach einem entsprechenden Beschluss der Partner möglich ist.
Einer der Partner kam vermeintlich mit dem Gesetz in Konflikt. Seit 2019 liefen gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Betrug, Untreue und Beihilfe zur Untreue durch die Mitwirkung an Zahlungen zu Gunsten weiterer Beklagter. Diese Zahlungen wurden über ein Treuhandkonto der Partnerschaftsgesellschaft abgewickelt. In diesem Zusammenhang kam es auch zu Durchsuchungen der Staatsanwalt. Die übrigen Partner führten aufgrund dieser Entwicklungen Ende 2023 schließlich Versammlungen durch. Dabei beschlossen sie, dem in die strafrechtlichen Ermittlungen verstrickten Partner die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsbefugnis für die PartG vorübergehend bis zum 31. Dezember 2024 zu entziehen.
Dagegen wehrte sich der Partner und argumentierte, dass der Beschluss nicht wirksam erfolgt sei. Er führte aus, dass u.a. der Gesellschaftsvertrag diesbezüglich unklar formuliert sei. Zudem fehle es an einem wichtigen Grund für die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis. Denn das Ermittlungsverfahren sei schon lange bekannt gewesen und er könne keine weiteren Auskünfte dazu geben. Außerdem drohe der Gesellschaft durch das Fortbestehen seiner Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis kein Schaden und er habe keine Gesellschafterpflichten verletzt.
Entziehung rechtmäßig
Mit dieser Argumentation kam er beim LG Stuttgart allerdings nicht durch. Das Gericht machte deutlich, dass die zeitlich befristete Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis rechtmäßig ist und der Beschluss formwirksam gefasst wurde.
Die Beschlussfassung zur Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis sei auf Grundlage des Gesellschaftervertrags erfolgt. Es sei eindeutig, dass vertraglich die Entziehung der Befugnis ermöglicht werden sollte, so das Gericht. Dem stehe auch nicht die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 2 PartGG entgegen. Hierbei handele es sich um eine Sonderregelung für die Geschäftsführung in Partnerschaftsgesellschaften, nach der jeder einzelne Partner zwar von der Führung „sonstiger Geschäfte“ nicht aber von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden könne. Dennoch könne eine Entziehung der Geschäftsführerbefugnis im Einzelfall möglich sein, so das LG Stuttgart. Dies sei insbesondere der Fall, wenn anders ein drohender Schaden für die Partnerschaftsgesellschaft nicht abzuwenden ist.
Fortführung nicht mehr zumutbar
Eine Einziehung der gesamten Geschäftsführung sei insbesondere dann zulässig, wenn den anderen Gesellschaftern der Fortbestand der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht mehr zumutbar ist. Durch die fehlende Auskunftsbereitschaft des Partners zu dem Ermittlungsverfahren, obwohl er Einsicht in Teile der Akte habe, liege gemäß des Gesellschaftsvertrags ein hinreichend wichtiger Grund für die Entziehung der Geschäftsführerbefugnis vor, führte das LG Stuttgart weiter aus. Dass ein solches Verhalten das notwendige Vertrauen für eine weitere Zusammenarbeit zerstört, sei nachvollziehbar. „Ein solches Verhalten ist grundsätzlich geeignet, Beschlüsse über die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht auch in einer Partnerschaft von Freiberuflern zu tragen“, machte das LG Stuttgart deutlich.
Zudem führte das Gericht aus, dass die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis aufgrund der Regelungen im Gesellschaftsvertrag zulässig war und eine gerichtliche Entscheidung dazu nicht notwendig ist. Schon die Treuepflicht hätte den Partner dazu anhalten müssen, auf die Rechte und Interessen der anderen Gesellschafter Rücksicht zu nehmen.
Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, den Gesellschaftervertrag möglichst detailliert zu regeln, um auch auf Konfliktsituationen reagieren zu können.
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