Strafrechtsschutz in der D&O-Versicherung
Geschäftsführer tragen ein hohes Risiko und können auch persönlich in der Haftung stehen. Mit einer D&O-Versicherung soll das Haftungsrisiko abgefedert werden. Umso wichtiger ist es, dass die D&O-Versicherung im Schadensfall auch eintritt und nicht den Versicherungsschutz verweigert. Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 13. Juli 2023 die Rechte der Versicherungsnehmer gestärkt und deutlich gemacht, dass der vorläufige Strafrechtsschutz einer D&O-Versicherung nicht verweigert werden kann, weil der Versicherungsgesellschaft die Angaben des Versicherungsnehmers zu „dünn“ sind (Az.: 20 U 64/22).
Leitende Organe wie Geschäftsführer tragen ein hohes persönliches Haftungsrisiko. Bei Fehlern in der Unternehmensführung können sowohl die Gesellschaft selbst als auch Dritte Ansprüche gegen den Geschäftsführer haben, der mit seinem Privatvermögen unbegrenzt in der Haftung steht. Um dieses Risiko für Geschäftsführer und andere leitende Organe abzufedern, kann der Abschluss einer D&O-Versicherung empfehlenswert sein. Wichtig ist, dass der Versicherungsumfang auf die individuellen Haftungsrisiken eines Leitungsorgans zugeschnitten ist, so Rechtsanwalt Michael Rainer, Ansprechpartner für Gesellschaftsrecht bei der Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte . Zum Umfang der Police kann auch der Strafrechtsschutz gehören.
Verdacht einer Straftat
In dem Verfahren vor dem OLG Hamm hatte das Unternehmen für seinen Geschäftsführer eine den Strafrechtsschutz umfassende D&O-Versicherung abgeschlossen. Gegen den Geschäftsführer hatten die Finanzbehörden ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts auf Beteiligung an Steuerstraftaten eingeleitet. Als der Geschäftsführer von den Ermittlungen im Zuge der Vollziehung eines Durchsuchungsbeschlusses und der vorläufigen Festnahme eines Mitbeschuldigten erfuhr, beantragte er bei der D&O-Versicherung Deckungsschutz für die anfallenden Verteidigungskosten.
Der in der Versicherungspolice vereinbarte Strafrechtsschutz galt vorläufig bei Bestreiten einer wissentlichen Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer. Sollte die Straftat jedoch nachgewiesen und der Geschäftsführer verurteilt werden, konnte der Versicherer die Kosten zurückfordern.
Versicherer zieht Deckungszusage zurück
Der Versicherer erteilte zunächst anstandslos die Deckungszusage. Als er jedoch die erste Teilrechnung der mit der Verteidigung beauftragen Kanzlei erhielt, wollte er nicht zahlen. Auch die Übernahme weiterer Verteidigungskosten lehnte die Versicherungsgesellschaft ab.
Die Ablehnung begründete der Versicherer damit, dass der Geschäftsführer keine ausreichenden Angaben zu den Vorwürfen gemacht habe. Der Geschäftsführer habe damit seine Pflichten verletzt, da er sich gegenüber dem Versicherer nicht zum Sachverhalt geäußert und keine Einsicht in die Strafverfahrensakte gewährt habe. Daher bestehe keine Eintrittspflicht für die D&O-Versicherung.
Mit dieser Argumentation kam der Versicherer weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren vor dem OLG Hamm durch. Wenn der beschuldigte Geschäftsführer sich gegen den Vorwurf einer Straftat verteidigt, könne es nicht sein, dass er sich gegenüber seinem Versicherer öffnen müsse. Zumal dies auch seine Verteidigungsmöglichkeiten im Strafverfahren empfindlich beschränken könnte, machte das Oberlandesgericht deutlich.
Versicherung nicht zur „Vernehmung“ befugt
Das Versicherungsunternehmen sei daher nicht befugt, die versicherte Person gleichsam selbst zu den Vorwürfen „zu vernehmen“, so das OLG Hamm. Ebenso könne der Versicherer aus der Weigerung des Versicherungsnehmers nähere Angaben zu machen, nicht eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers konstruieren und deshalb die Deckungszusage verweigern, machte das Gericht klar. Es reiche völlig aus, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer mitteile, dass er den Tatvorwurf bestreitet. Diese Mitteilung sei erfolgt.
Es liege auch keine Obliegenheitsverletzung vor, wenn dem Versicherer keine Einsichtnahme in die Akten des Ermittlungsverfahren gewährt wird. Zumal der beschuldigte Geschäftsführer kein eigenes Einsichtsrecht in die Akten habe und seine Verteidiger dürften die Akten nicht an eine Versicherung herausgeben, führte das OLG Hamm weiter aus. Darüber hinaus habe die Versicherungsgesellschaft die umfassende Anklageschrift erhalten. Insofern sei unklar, inwiefern sie sich noch unzureichend unterrichtet fühlt.
Anspruch auf Kostenübernahme
Es liege ein Versicherungsfall vor und der beschuldigte Geschäftsführer habe gegenüber der Versicherung einen Anspruch auf Übernahme der Kosten. Dieser Anspruch sei weder durch eine wissentliche Pflichtverletzung noch durch eine Obliegenheitsverletzung ausgeschlossen, entschied das OLG Hamm. Sollte der Geschäftsführer wegen des Begehens einer Steuerstraftat verurteilt werden, könne der Versicherer die Kosten ggf. zurückfordern.
MTR Legal Rechtsanwälte berät in Fragen zur Geschäftsführerhaftung, D&O-Versicherung und weiteren Themen des Gesellschaftsrechts.
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