Urteil des EuGH vom 13.02.2025 – C-472/23
Wer ein Darlehen bei der Bank aufnimmt, muss Zinsen zahlen. Allerdings kann die Bank ihren Anspruch auf die Zinsen auch verlieren, wenn sie gegen ihre Informationspflichten verstoßen hat. So ist die Bank verpflichtet, ihren Kunden den effektiven Jahreszins und seine Berechnung sowie jegliche Änderung am Vertrag klar und verständlich mitzuteilen. Das hat der EuGH mit Urteil vom 13. Februar 2025 entschieden (Az.: C-472/23).
Für Darlehensnehmer ist es wichtig, ihre finanzielle Belastung im Zusammenhang mit der Kreditvergabe einschätzen zu können. Dazu sind sie auf Informationen der Bank angewiesen. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass eine Bank ihre Informationspflichten gegenüber den Kunden ernstnehmen sollte. Denn bei einem Verstoß kann sie ihren Anspruch auf Zinsen und Kosten verlieren, so die Wirtschaftskanzlei MTR Legal Rechtsanwälte , die u.a. im Bankrecht berät.
Angabe des effektiven Jahreszins
In dem Verfahren vor dem EuGH hatte ein Verbraucher aus Polen mit einer Bank einen Kreditvertrag über umgerechnet rund 9.600 Euro abgeschlossen. Zu diesem Betrag kamen Zinsen und weitere Kosten in Höhe von insgesamt ca. 5.600 Euro hinzu. Der effektive Jahreszins für den Kredit wurde mit 11,18 Prozent angegeben. Zudem konnte die Bank laut dem Kreditvertrag für Vorgänge im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Darlehens und der Änderung von Vertragsbedingungen weitere Entgelte erheben.
Nach den Vertragsbedingungen konnte die Bank Entgelte und Provisionen erhöhen, wenn nur eine der vertraglich aufgeführten Bedingungen eintrat. Dazu gehörte bspw. die Änderung des Mindestlohns, die Änderung der Durchschnittslöhne, die Preisentwicklung in verschiedenen Bereichen oder die Änderung der von der polnischen Nationalbank festgelegten Zinssätze.
Aus dem Kreditvertrag ging auch hervor, dass die Bank nicht nur auf den ausgezahlten Kreditvertrag Zinsen erhebt, sondern auf die Gesamtkosten des Kreditvertrags. Dadurch ist der hohe effektive Jahreszins entstanden.
Bank verstößt gegen Informationspflichten
Der Verbraucher fühlte sich benachteiligt und trat seine Rechte aus dem Kreditvertrag an ein Inkasso-Unternehmen ab. Dieses argumentierte, dass die Bank gegen ihre Informationspflichten verstoßen habe und verlangte darum die Zahlung von umgerechnet ca. 2.900 Euro, die der Verbraucher bisher für Zinsen und Kosten an die Bank gezahlt hatte.
Das Inkasso-Unternehmen führte aus, dass die Bank einen zu hohen effektiven Jahreszins angegeben habe und damit gegen ihre Informationspflichten nach dem Verbraucherkreditgesetz verstoßen habe. Die verwendete Klausel sei missbräuchlich. Die Bank habe außerdem nicht konkret angegeben, unter welchen Bedingungen die Entgelte für den Kreditvertrag erhöht werden dürfen. Wegen dieser Verstöße habe sie ihren Anspruch auf Zinsen und Kosten verloren.
Das zuständige polnische Gericht war unschlüssig, ob ein Verstoß gegen die Informationspflicht tatsächlich zu einem Verlust des Anspruchs der Bank auf Zinsen und Kosten führt und schaltete deshalb den Europäischen Gerichtshof ein.
EuGH stärkt Verbraucherrechte
Der EuGH stärkte die Verbraucherrechte und stellte klar, dass die Bank ihren Anspruch auf Zinsen und Kosten verlieren kann, wenn sie gegen ihre Informationspflichten verstoßen hat und der Verbraucher darum den Umfang seiner finanziellen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht einschätzen kann.
Die Richter in Luxemburg stellten zunächst klar, dass der effektive Jahreszins und der vom Verbraucher zu zahlende Gesamtbetrag zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags klar und prägnant angegeben werden muss. Eine fehlerhafte Angabe des effektiven Jahreszinses liege grundsätzlich vor, wenn dieser zu niedrig oder auch zu hoch angegeben wird. Bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses werde aber von der Annahme ausgegangen, dass der Kreditvertrag für den vereinbarten Zeitraum gilt und dass Kreditgeber und Verbraucher ihren Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommen. Ein Verstoß gegen die Informationspflicht liege aber noch nicht vor, wenn der effektive Jahreszins zu hoch angegeben wurde, weil sich verwendete Vertragsklauseln später als missbräuchlich herausstellen.
Kreditnehmer muss seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen können
Allerdings müsse die Bank die Bedingungen für eine Änderung der anfallenden Entgelte klar und deutlich formulieren. Stelle sie in dem Vertrag auf Indikatoren ab, die der Kunde nur schwer überprüfen könne, könne dies einen Verstoß gegen die Informationspflicht darstellen, so der EuGH. Führt dieser Informationsverstoß dazu, dass der Kreditnehmer seine finanziellen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht einschätzen kann, könne die Bank ihren Anspruch auf Zinsen und Kosten verlieren. Eine solche Sanktion sei auch verhältnismäßig, stellte der EuGH klar, wobei die Sanktionen in Abhängigkeit von der Schwere des Verstoßes unterschiedlich ausfallen können.
Die Entscheidung des EuGH ist für Kreditverträge in der gesamten EU maßgeblich. Bei fehlerhaften oder unklaren Bedingungen zum effektiven Jahreszins können Banken ihren Anspruch auf Zinsen und Kosten verlieren.
MTR Legal Rechtsanwälte berät zu Darlehen und weiteren Themen des Bankrechts.
Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf!